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Channel: Kommentare zu: Schreibe auf Hochdeutsch, aber lies Schweizerdeutsch — Die Kunst der Übersetzung in der Schweiz
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Von: Schnägge

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@ AnFra: Das ist natürlich Unsinn, da bist du wohl auf eine falsche Übersetzung hereingefallen. Der Jäger wars!

In der Schweiz müsste die Geschichte natürlich ganz anders erzählt werden:
( – Im Bedarfsfall bitte simultan übersetzen – )

Also, man muss ja auch schon ganz schön blöd sein, um einen Wolf mit einer Großmutter zu verwechseln. Und blöd war unser Rotkäppchen ganz sicher nicht, soviel hatte sie aus dem Teutonischen Werbefernsehen gelernt.
Als Rotkäppchen nun gerade an die Tür des Häuschens geklopft hatte, und von drinnen ein raues „Herein!“ klang – und keinesfalls tönte -da wusste sie natürlich sofort, dass hier was nicht stimmte. Von Aussehen und Geruch her wäre ihr wahrscheinlich nicht so bald etwas aufgefallen, zumal sich der Wolf mit einem schwarzen Schafspelz getarnt hatte. Aber an der hochdeutschen Aussprache hatte sie natürlich gleich erkannt, dass hier nicht die liebe Großmutter aus dem Wallis im Bettchen lag, und hatte natürlich noch draußen vor der Tür mit dem Natel, äh, Handy, ich meine: Mobiltelefon den Jäger informiert.

Zu dem Wolf sagte Rotkäppchen: „Hoi, ich bin die Fränzi. Kannst aber auch Rotkäppchen zu mir sagen. Und wer bist du.“
Wolf (verdattert): „Äh, ich heiße Wolfgang Kleinmüller und komme aus Wolfsburg.“
Rotkäppchen: „Das hab ich mir schon gedacht, dass du aus dem Großen Kanton kommst. Kennst du vielleicht die Heidi, meine Cousine? Die hat auch mal einige Zeit da gewohnt. Hat ihr aber, glaube ich, nicht so gefallen.“
Wolf: „Äh, nö, die kenn ich nicht. Aber, sag mal, Rotkäppchen, willst du nicht zu mir ins Bett kommen? Hier ist es schön warm. Deine Oma hab ich übrigens auch schon vernascht.“
(Man sieht merkwürdige Bewegungen unter der Bettdecke.)
Rotkäppchen: „Sorry, Wolfgang, aber dein Hochdeutsch tönt so rau, das finde ich mega unerotisch. Das törnt mich voll nicht an.“
Wolf (bricht in Tränen aus): „Uuuuuuuuh, keiner hat mich lieb. Und alles nur, weil ich Norddeutsch spreche. Uuuuuh…“
Rotkäppchen (mit ehrlichem Bedauern): „Hm. Vielleicht solltest du mal zum Logopäden gehen? Vielleicht kann der dir lernen, anständig Mundart zu reden?“

In diesem Moment fliegt die Tür auf und der Jäger stürzt herein mit seinem Präzisions-Sturmgewehr und fängt an, wie wild in der Gegend herumzuballern. Der Wolf sackt leblos in den Kissen zusammen. Rotkäppchen hat zum Glück nur einen Streifschuss abgekriegt, aber die Großmutter, die unter der Bettdecke gesteckt und dem Wolf einen ge… eine Geschichte erzählt hatte, war damit auch hinüber. Das, liebe Kinder, nennt man dann einen Kollateralschaden.

Rotkäppchen aber erbte einen schönen Batzen und lebte mit dem Jäger glücklich bis an ihr Lebensende. Was freilich nicht sehr lange war, wie ihr euch sicherlich denken könnt…


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